Die Militärhilfe der USA spaltet die Filipinos Nach den Abu Sayyaf auch die Kommunisten im Visier
Neue Zürcher Zeitung
15. August 2002Vor einigen Tagen hat der amerikanische Aussenminister Powell der philippinischen Hauptstadt einen Besuch abgestattet. Manila war die letzte Station einer der Verstärkung des Anti-Terror-Kampfs gewidmeten Rundreise, die Powell während knapp einer Woche in sechs südostasiatische Länder geführt hatte. Präsident Bushs Regierung hatte die Region, in der einige Länder mehrheitlich von Muslimen bewohnt werden oder aber beträchtliche muslimische Minderheiten aufweisen, schon früh zur «zweiten Front» im Krieg gegen den Terrorismus erklärt.
Innenpolitische Gräben aufgerissen
Die Philippinen waren überdies das erste Land ausserhalb Afghanistans, in dem amerikanische Truppen zur Unterstützung der einheimischen Streitkräfte bei ihrem Kampf gegen die muslimischen Rebellengruppe Abu Sayyaf eingesetzt wurden. Seit Februar rücken amerikanische und philippinische Soldaten gemeinsam einem Feind mit Verbindungen zu Usama bin Ladins Kaida zu Leibe. In kaum einem anderen Land hat die Ausdehnung des Kampfes gegen den Terror so starke innenpolitische Auswirkungen gehabt wie in den Philippinen. Denn die USA hatten zwischen 1898 und 1946 als Kolonialherren über das Land geherrscht und ihre gigantischen Militärstützpunkte Subic Naval Base und Clark Air Base erst vor rund zehn Jahren nach einer antiamerikanischen Welle auf den Philippinen geräumt. Seither enthält die Verfassung des Landes einen Zusatz, der den Kampfeinsatz fremder Truppen auf philippinischem Territorium ausdrücklich verbietet. Dass die energische Präsidentin Arroyo dennoch amerikanische «Special Forces» gegen die auf den Sulu-Inseln im Süden operierenden Abu-Sayyaf- Rebellen zu Hilfe holte, hat quer durch alle politischen Lager hindurch alte Gräben wieder aufbrechen lassen. So ist beispielsweise wenige Tage vor Powells Besuch Vizepräsident Teofisto Guingona, bis dahin eine der loyalsten Stützen Arroyos, aus Protest gegen die sich abzeichnende Vertiefung der militärischen Kooperation mit den Amerikanern von seinem Amt als Aussenminister zurückgetreten.Die Gespaltenheit ob der amerikanischen Militärhilfe beschränkt sich jedoch keineswegs auf die «politische Klasse». Weil die Regierung den Zeitpunkt des Eintreffens von Powell geheim hielt, begannen schon über 24 Stunden zuvor Hunderte von Demonstranten vor der amerikanischen Botschaft Plakate mit Aufschriften wie «Yankee go home!» und «Powell, Uncle Tom of the Neo- Colonialists!» zu schwenken. Doch standen ihnen fast ebenso viele Gegendemonstranten gegenüber, die sogar offen eine erneute ständige Stationierung amerikanischer Truppen im Inselreich forderten.
Basilan weint den Amerikanern nach
Ähnlich war die Situation auch im Süden des Landes, wo von Februar an amerikanische Soldaten - 600 Kampfspezialisten sowie 400 Techniker -stationiert gewesen waren. Als ihr Einsatz am 31. Juli zu Ende ging, brachen auf der vorwiegend muslimischen Insel Basilan, die bis vor kurzem noch wichtigster Stützpunkt der Abu-Sayyaf- Rebellen war, bei der Abschiedszeremonie Dutzende von Einwohnern in Tränen aus. In der benachbarten Hafenstadt Zamboanga an der Südspitze der Insel Mindanao war ein massiver Einsatz von Polizisten und einheimischen Soldaten nötig: Diese mussten eine Schar zugereister Nationalisten, die zur Verabschiedung der Militärs eine antiamerikanischen Kundgebung geplant hatten, davor bewahren, von erzürnten Einheimischen gesteinigt zu werden.Die Reaktion der direkt betroffenen Filipinos ist nicht verwunderlich. Denn die Bilanz der ersten Phase der Übung «Balikatan» («Die Last gemeinsam schultern») im Kampf gegen die Abu Sayyaf ist durchaus positiv. Die Amerikaner rüsteten philippinische Soldaten mit modernen Waffen aus, unterrichteten sie in deren Gebrauch, leisteten mit modernsten Aufklärungsmitteln Unterstützung und brachten insbesondere auf Basilan die für schnelle Truppeneinsätze notwendige Transportinfrastruktur auf Vordermann. Zwar gelang es philippinischen und amerikanischen Verbänden auch unter vereinten Anstrengungen nicht, die Rebellen wirklich auszurotten. Diese sind aber im vergangenen halben Jahr entscheidend geschwächt worden. Laut offiziellen Angaben ist die Zahl der bewaffneten Kämpfer von über 800 vor Jahresfrist dank Festnahmen, Verlusten im Kampf und Desertionen auf 200 zusammengeschrumpft. Gegen Ende des gemeinsamen Manövers konnten auch die drei letzten Geiseln aus den Klauen der Sayyaf «befreit» werden. Allerdings kamen bei der Aktion zwei der Geiseln - ein amerikanischer Missionar und eine einheimische Krankenschwester - ums Leben. Kurz darauf haben Kommandos der philippinischen Armee angeblich bei einem Zusammenstoss mit den Rebellen Abu Sabaya, einen der fünf Anführer der Bande, erschossen. Dessen Leichnam ist allerdings nie gefunden worden.
Besonders positiv schlägt zu Buch, dass die Amerikaner bei der Unternehmung im Süden nicht nur einen militärischen Erfolg errungen haben. Wie die Abschiedstränen der Einheimischen auf Basilan und die Steinwürfe gegen die Amerikagegner in Zamboanga zeigen, haben die USA das beim Kampf gegen Rebellen Wichtigste erreicht: Sie haben die Herzen der Bevölkerung gewonnen. Offensichtlich hat die Anwesenheit amerikanischer Truppen der den willkürlichen Gewaltakten der Abu-Sayyaf-Bande ausgelieferten Bevölkerung ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Zudem haben der Strassenbau und die Reparatur von Flugpisten und Hafenanlagen, selbst wenn sie in erster Linie auf militärische Zwecke abzielen, auch positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der Gegend.
«Balikatan 2» zielt auch gegen die NPA
Laut einem bei Powells Besuch besiegelten Plan soll im Oktober eine weitere Übung «Balikatan» beginnen. An dieser werden zwar nur noch etwa 400 amerikanische Soldaten beteiligt sein. Sie sollen aber acht statt wie bisher nur sechs Monate lang philippinische Truppen unterstützen und ausbilden. Ausserdem soll das Einsatzgebiet über den Brennpunkt des Südens hinaus auch auf die nördlichen Inseln ausgedehnt werden. Die philippinische und die amerikanische Regierung haben die Absicht, fortan auch die Guerilleros der New People's Army (NPA) ins Visier zu nehmen. Die NPA, der militärische Arm der philippinischen Kommunistischen Partei, verfügt über 20 000 Bewaffnete, die auf fast allen Inseln des Archipels operieren. Ihre Aktionen gegen Landbesitzer, Polizisten, Politiker sowie Vertreter vorwiegend amerikanischer Firmen und der seit 30 Jahren erfolglose Versuch der staatlichen Sicherheitskräfte, sie auszurotten, haben bis heute gegen 40 000 Todesopfer gefordert.Die Regierung in Washington hat die NPA vor kurzem auf ihre Liste international zu verfolgender Terrororganisationen gesetzt. Überdies gibt es nichts Grundsätzliches daran auszusetzen, wenn Amerika einer demokratisch legitimierten Regierung beim Kampf gegen organisierte Gewalttäter zur Hand geht. Dennoch stellt sich die Frage, ob die USA mit der Ausdehnung ihres Anti-Terror- Kampfs auf die NPA den Bogen nicht überspannen. Denn diese verfügt bis heute offensichtlich landesweit immer noch über beträchtliche Unterstützung bei der Bevölkerung. Dies ist vorwiegend auf die enormen sozialen Unterschiede, auf die in der Landwirtschaft weitherum immer noch feudalen Besitzverhältnisse und die systematische Verhinderung aller bisherigen Versuche zu einer echten Landreform durch die Oligarchie zurückzuführen. So brutal und unschön das Vorgehen der NPA-Kämpfer sein mag, das Problem ist «hausgemacht» und hat mit internationalem Terror nichts zu tun.
Thunfischzölle gefährden das Kriegsziel
Überdies wäre es vermutlich besser, wenn die Amerikaner ihr Engagement weiterhin auf die Befriedung des muslimischen Südens konzentrieren und dieses Ziel noch konsequenter als bisher verfolgen würden. Bis anhin ist diese Aktion nämlich in mancherlei Hinsicht trotz allen Teilerfolgen ein typisches Beispiel dafür geblieben, dass in Washington die Linke nicht weiss, was die Rechte tut. So hat die Administration Bush ausgerechnet zum Ende des Balikatan-Manövers ein noch aus dem «Krieg gegen die Drogen» stammendes Postulat erfüllt und die Zölle für Thunfischimporte aus den südamerikanischen Drogenproduzentenländern drastisch gesenkt. Leider wurde dabei übersehen, dass dadurch Thunfischimporte aus den Südphilippinen, auf welche die USA weiterhin Zölle von 35 Prozent erheben, konkurrenzunfähig werden.Der Thunfischfang und die dazugehörende Weiterverarbeitung sind aber genau diejenigen Industriezweige, die die besten Aussichten haben, zum Grundstein jener Wirtschaftsentwicklung zu werden, die Voraussetzung für eine anhaltende Befriedung des vor allem wegen seiner Rückständigkeit rebellischen muslimischen Südens der Philippinen ist. Bleibt nur zu hoffen, dass die Amerikaner bei ihren weltweiten Anstrengungen im Kampf gegen den Terror flexibel genug sind, solche Fehler schnell zu korrigieren.