In Pakistan wächst die Kritik an den USA

Breite Ablehnung eines Krieges gegen den Irak

Während des Kriegs gegen die Taliban in Afghanistan war Pakistan einer der wichtigsten Verbündeten der USA. Heute sind die Beziehungen zwischen Washington und Islamabad getrübt. In Pakistan stossen das harte Vorgehen gegen Landsleute in den USA und der erwartete Krieg gegen den Irak auf wachsende Kritik. Der Antiamerikanismus breitet sich von den westlichen Stammesgebieten auf das ganze Land aus.

Neue Zürcher Zeitung
4. Februar 2003

Vor einer Woche ist Ejaz Haider, ein pakistanischer Journalist und Politikwissenschafter, in Washington von der Einwanderungsbehörde INS auf der Strasse verhaftet, verhört und in eine Zelle gesteckt worden. Er hatte es versäumt, sich nach seiner Ankunft in den USA vor einigen Wochen beim INS registrieren zu lassen, wie dies das Justizministerium von männlichen Staatsbürgern aus 25 (meist islamischen) Ländern neuerdings verlangt. Haider ist Gastprofessor bei der Brookings Institution, einem angesehenen Think-Tank in der amerikanischen Hauptstadt, und es war deren rascher Intervention zu verdanken, dass Haider nach 24 Stunden wieder freikam.

Antiamerikanische Stimmung
Haider ist ein persönlicher Bekannter von K. M. Kasuri, dem pakistanischen Aussenminister. Kasuri befand sich zum gleichen Zeitpunkt in Washington, wo er bei der amerikanischen Regierung ausgerechnet dafür warb, pakistanische Staatsbürger von der demütigenden Registrierungspflicht - Befragung unter Eid, Fingerabdrücke und Ablichtung - zu befreien. Die Schikanierung Haiders wurde zu Hause als ein Fusstritt für Pakistan empfunden, nachdem Kasuri bei Aussenminister Powell und Justizminister Ashcroft auf taube Ohren gestossen war.

Die Geringschätzung eines der wichtigsten Verbündeten im Krieg gegen die Taliban in Afghanistan wird in Pakistan mit zunehmendem Grimm zur Kenntnis genommen. Sie fügt sich in die hemdsärmelige Behandlung pakistanischer Staatsbürger und von Amerikanern pakistanischen Ursprungs, welche nach dem 11. September 2001 über ein Jahr lang in Einzelhaft und ohne Kontakt mit der Aussenwelt festgehalten worden waren. Die jüngsten Ereignisse haben den Hass gegen die USA, der sich während des Kriegs gegen die Taliban weitgehend auf die westlichen Stammesgebiete und die Grossstädte beschränkt hatte, auf das ganze Land ausgeweitet. Ein Zwischenfall Ende letzten Jahres zeigte, dass auch die Zusammenarbeit amerikanischer und pakistanischer Truppen darunter leidet. Bei einer gemeinsamen Patrouille an der afghanischen Grenze kam es am 29. Dezember zu einer Schiesserei zwischen «Frontier Scouts» und amerikanischen Special Forces, bei der ein Amerikaner verletzt wurde. Daraufhin forderte der Soldat Luftunterstützung an, und eine Islamschule auf pakistanischem Boden, in die zwei Scouts geflüchtet waren, wurde mit Raketen beschossen. Die beiden Scouts kamen dabei ums Leben.

Der drohende Krieg gegen den Irak hat der antiamerikanischen Stimmung zusätzliche Nahrung gegeben. Wie in weiten Teilen der islamischen Welt wird der Druck der USA auf Saddam Hussein auch in Pakistan als ein Angriff auf den Islam interpretiert. Eine amerikanische Invasion solle im Zentrum der arabischen Welt ein Regime einsetzen, so ein Kommentar, das die kulturelle Hegemonie des Westens geopolitisch absichere und die Region wirtschaftlich unterwerfe. Laut einer amerikanischen Umfrage in 44 Ländern ist die Wahrnehmung der USA in Ägypten und Pakistan am negativsten. Nur 10 Prozent der Befragten befürworten in diesen Ländern die amerikanische Politik. Eine ähnliche Untersuchung des State Department ergab eine starke Ablehnung militärischer Aktionen gegen Saddam Hussein.

Kleiner Manövrierraum
Wie das Verhalten des INS zeigt, gibt sich Washington wenig Mühe, das Feindbild mit politischen Gesten zu verändern. Die Tilgung von Schulden in der Höhe von einer Milliarde Dollar war nicht mehr als das Einlösen bereits gemachter Versprechen, und ihre Bekanntgabe erfolgte beinahe gleichzeitig mit einer Erklärung der amerikanischen Botschafterin, Islamabad müsse endlich «aufhören, eine Plattform des Terrorismus» zu sein. Amerikanische Medienberichte über eine Zusammenarbeit zwischen Pakistan und Nordkorea im Bereich der Nuklear- und Raketentechnologie sorgten für zusätzliche Irritation, und sie wurden in Islamabad als gezielte Indiskretionen der Bush-Administration taxiert.

Die pakistanische Regierung ist auf sich selbst gestellt, um den wachsenden Druck von der Strasse und aus dem Parlament zu kontern. Bisher ist es ihr gelungen, die Islamisten im Zaum zu halten. Die MMA, eine Koalition aus sechs islamistischen Parteien, die bei den Wahlen im Oktober unerwartet hohe Zugewinne verzeichnet hatte, wurde mit Pfründen und symbolischen Gesten geködert - wie etwa dem Status als offizielle Oppositionspartei. Zwar kam es auch in jüngster Zeit zu Strassenprotesten, doch erreichten diese nicht mehr die Intensität der Proteste nach dem Sturz der Taliban vor einem Jahr. Um die Opposition im Land nicht zu provozieren, hat die pakistanische Regierung ein einseitiges Vorgehen des amerikanischen Verbündeten gegen den Irak abgelehnt und sich denjenigen Staaten angeschlossen, die weitere Inspektionen fordern und einen Entscheid über Krieg und Frieden dem Uno- Sicherheitsrat überlassen wollen. Beobachter sind sich allerdings einig, dass Pakistans Manövrierraum klein ist. Die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von Washington ist seit dem 11. September noch gewachsen. Gleichzeitig machen die Wahlerfolge der Islamisten deutlich, dass antiamerikanische Rhetorik immer mehr Anhänger findet.

Pakistan als nächste Zielscheibe?
Die breite Ablehnung eines Kriegs gegen den Irak gründet auch in der wachsenden Furcht, dass Pakistan zur nächsten Zielscheibe der amerikanischen Supermacht werden könnte. In Islamabad verbirgt sich hinter einer demokratischen Fassade wie in Bagdad ein Militärregime. Das Land verfügt zudem über Nuklearwaffen, und Präsident Musharraf hat auch schon gedroht, sie (gegen Indien) einzusetzen. Nach dem 11. September war ein pakistanischer Atomwissenschafter verhaftet worden, weil er versucht hatte, Usama bin Ladin mit nuklearem Know-how zu versorgen. Die Taliban sind in Pakistan gross geworden und haben dort heute wieder Unterschlupf gefunden. Bin Ladin lebte nicht im Irak, sondern in Pakistan, und er hält sich vielleicht auch heute wieder dort auf, genauso wie zahlreiche seiner al-Kaida- Kader. Taliban-Anhänger sitzen in Islamabad im Parlament. Sollte das Abenteuer im Irak gelingen, so besorgte Kommentare in Indien und Pakistan, werde Bush auch in Pakistan aufräumen wollen. Er werde dies nicht zuletzt tun müssen, schreibt der indische «Sunday Express», um der Armee von Gotteskriegern Herr zu werden, die nach einem Irak-Krieg aus dem Boden schiessen würden und deren natürliches Refugium Pakistan sein werde. Der Besitz von Atomwaffen bietet, wie im Fall Nordkoreas, nur einen fragwürdigen Schutz. Denn er ist gleichzeitig auch eine Einladung an die Weltmacht, den nuklearen Sprengsatz zu entschärfen.

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Nieuwe Oorlog 2003 | Ander Nieuws week 7